Deine eigene Trauerrede selbst verfassen –ist das nicht makaber? Du stehst ja noch mitten im Leben. Tatsächlich hat so eine Grabrede aber mehr mit dem Leben als mit dem Tod zu tun. Außerdem kennt dich niemand so gut, wie du dich selbst. Wer könnte dich also treffender beschreiben?
Ich verrate dir, warum es Sinn macht, seine eigene Grabrede selbst zu schreiben. Du bekommst von mir Ideen und Anregungen, wie du das Thema am besten angehst. Noch dazu findest du schlaue Fragen, die du dir stellen kannst und weitere Tipps, die dir beim Schreiben deiner Rede helfen.
In 3 Schritten zu deiner eigenen Grabrede
Schritt 1: Das Erforschen deines Lebens
- So kannst du dich dem Thema nähern
- Was ist das Wesentliche in deinem Leben?
- Übung: Die elementaren Ereignisse deines Lebens finden
Schritt 2: Deine Grabrede schreiben
- So beginnst du deine Trauerrede
- Der eigentliche Inhalt
- Damit kann deine Grabrede enden
Schritt 3: Was tun mit der fertigen Grabrede?
- Übung: Praktische Erfahrung
- Schlussbetrachtung
- Die Trauerrede gut aufbewahren
Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum Menschen ihre eigene Trauerrede schreiben möchten:
- Den Menschen, die zurückbleiben, etwas für ihr Leben mitgeben
- Geschichten aus dem eigenen Leben erzählen
- Eine langwierige Krankheit verarbeiten
- Sein Leben Revue passieren lassen
- Ziele und Wünsche festhalten und deren Erfüllung überprüfen
- Eine Neuausrichtung für’s Leben finden
Finde heraus, warum du deine eigene Grabrede schreiben möchtest und was dich motiviert, diese besondere Aufgabe anzugehen.
In 3 Schritten zu deiner eigenen Grabrede
Trauerreden sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie schreiben. Jeder verfasst sie auf seine Weise. Bist du ein pragmatischer Mensch, brauchst du eine klare Struktur. Lässt du dich eher von Gefühlen leiten, ist dein Zugang eher intuitiv. In jedem Fall sind Fragen nützlich, die dir dabei helfen, dein Leben zu reflektieren.
Schritt 1 : Das Erforschen deines Lebens
Mein Tipp:
Nimm dir viel Zeit, am besten mehrere Stunden am Stück.
Sorge dafür, dass du allein bist und nicht abgelenkt wirst.
Sei mit dem Herzen dabei und nicht mit dem Verstand.
Sorge für eine Umgebung, die dir Lust aufs Erforschen .und Schreiben macht
Räume deinen Schreibtisch auf oder mach es dir auf deinem Sofa gemütlich.
Mach dir eine Kanne Tee, setz dich bequem hin und wenn du magst, stelle leise Musik an. Schließe für einen Moment die Augen und stimme dich ein.
Du kannst dir auch einen Lieblingsplatz in der Natur suchen oder mit einer Frage spazieren gehen. Und dann leg los.
So kannst du dich dem Thema nähern
Aus den folgenden Anregungen und Vorschläge kannst du die für dich passenden aussuchen. Mit den Fragen findest du heraus, was dich besonders macht.
Chronologischer Lebenslauf und Begebenheiten in deinem Leben
- Schreibe Jahreszahlen mit den jeweiligen Ereignissen auf., z.B. Geburt, wann, wo, als wievieltes Kind, deine Eltern, Schulzeit, beruflicher Werdegang, Heirat, Kinder, usw.
Wendepunkte in deinem Leben
- Was waren einschneidende Erlebnisse in deinem Leben?
- Was hat dich stark geprägt?
- Was hat deinem Leben eine neue Richtung gegeben?
Persönlichkeit und individuelle Eigenschaften
- Was macht dich aus? Bist du warmherzig, hilfsbereit, loyal, klar, direkt, temperamentvoll, empathisch etc.?
- Hast du ein Lebensmotto?
- Wofür lieben dich andere Menschen? Kann man mit dir gut feiern oder sucht man deine Nähe, wenn man Kummer hat?
- Was sind deine Stärken?
- Was sind deine liebenswerten Schwächen? Solche, über die man schmunzelt und dich trotzdem liebt oder gerade deshalb?
- Hast du irgendwelche Macken?
Familie und Freundschaften
- Bist du ein Familienmensch und stellst du die Familie immer an erste Stelle? Magst du Familienfeiern, wo alle zusammenkommen? Bist du das Bindeglied oder das Schwarze Schaf?
- Bist du kein Familienmensch?
- Warst du schon immer anders als die anderen?
- Sind dir Freundschaften wichtig? Pflegst du Kontakte, rufst häufig an, besuchst deine Freunde oder bist Teil einer großen Clique? Organisierst du Mädelsabende oder Stammtische? Oder magst du lieber vertraute Gespräche mit einem Freund oder einer Freundin?
Hobbies und Leidenschaften
- Was machst du gerne?
- Gibt es etwas, ohne das du gar nicht könntest?
- Was würde dir richtig wehtun, wenn du es nicht mehr tun könntest?
Was sind deine Werte?
- Werte sind das, was deinem Leben eine Richtung gibt. Das, was dich antreibt. Sie lassen dich auf eine ganz bestimmte Art und Weise handeln.
- Werte können sein: Menschlichkeit, Gleichwertigkeit, Kommunikation, Spiritualität, Gleichberechtigung, Kommunikation, Loyalität, Freiheit
- Wenn dir Loyalität wichtig ist, würdest du für eine Freundin zu jeder Zeit alles stehen und liegen lassen, um ihr beizustehen.
- Ist Freiheit für dich entscheidend, bist du wahrscheinlich selbständig, würdest Paragliding lieben und könntest vermutlich im Kino oder im Flugzeug niemals in der Mitte sitzen.
Hast du eine Vision?
- Möchtest du etwas bestimmtes in die Welt bringen, was einen Unterschied macht für dich und andere Menschen.
- Gibt es etwas Größeres in deinem Leben, wofür du brennst?
- Willst du ein Ziel erreichen, in das du dein Herzblut steckst?
- Was verleiht deinem Leben Sinn?
Soziales Engagement
- Engagierst du dich ehrenamtlich?
- Spendest für „Tiere in Not“ oder „Brot für die Welt“?
- Warst du eine der ersten, die sich für Flüchtlinge engagierte?
- Oder machst du dich für den Klimawandel stark und für „Fridays for Future“?
- Bist du im Vorstand eines Vereins?
Beruf und Karriere
- War dir schon immer eine gute Ausbildung wichtig?
- Hast du dich immer weitergebildet und es letztlich zur Führungskraft geschafft und leitest ein Team?
- Ist dein Beruf zur Berufung geworden?
- Oder war dir Karriere nie wirklich wichtig?
- Was war dir wichtiger?
Was hinterlässt du der Welt?
- eine Familie mit großartigen Kindern?
- ein Buch, das du geschrieben hast?
- ein Lebenswerk?
- Hast du etwas mit aufgebaut,
- oder einen wunderschön blühenden Garten angelegt?
Finde etwas, worauf du stolz bist. Eine große Vision, den Sinn deines Lebens. Das können natürlich auch nicht materielle Dinge sein. Vielleicht hast du es geschafft, eure zerstrittene Familie wieder zu vereinen.
Mein Tipp:
Frage Freunde oder Familienmitglieder, die dir wohlgesonnen sind, wie sie dich beschreiben würden.
Was ist das Wesentliche in deinem Leben?
Du hast viele Dinge über dich gesammelt. Nun wählst du aus, was du davon in deiner Rede integrieren möchtest.
Stelle dir dazu folgende Fragen:
- Was möchtest du den Menschen, von denen du dich verabschiedest, sagen?
- Was sollen sie über dich wissen?
- Was macht dich unverwechselbar?
- Gibt es einen „roten Faden“, der sich durch dein Leben zieht?
Wenn du nicht weißt, wie du aus vielen Erlebnissen das Wesentliche finden sollst, kann dir die folgende Übung helfen.
Übung: Die elementaren Ereignisse deines Lebens finden
- Erzähle dein Leben. Von deiner Geburt bis heute und zwar so, als ob du es deiner besten Freundin erzählst. Nimm es auf Band auf. Du kannst dafür das Diktiergerät deines Handys benutzen. Du wirst dich wundern, wie schnell die Zeit vergeht und im Nu sind zwei Stunden vergangen. Höre dir die Aufnahme an und entscheide, welche Dinge nicht so wichtig sind und streiche sie.
- Erzähle die Geschichte in einer Stunde. Höre sie dir an und streiche.
- Erzähle die Geschichte deines Lebens in einer halben Stunde. Dann hörst du sie dir wieder an und streichst noch einmal unwichtige Dinge.
- Erzähle deine Geschichte in einer Viertelstunde. Das Ergebnis ist das Wichtigste aus deinem Leben.
Mein Tipp:
Deine Rede sollte möglichst emotional sein. Die Menschen wollen berührt werden. Das gelingt dir am besten mit kleinen Geschichten zum Beispiel mit Anekdoten, die du mit Anwesenden erlebt hast. Du kannst aber auch von Dingen erzählen, die typisch für dich sind oder Dinge, die andere zum Schmunzeln bringen.
Schritt 2: Das Schreiben deiner Grabrede
Jetzt geht es ans Schreiben deiner Grabrede. Bedenke, dass sie ungefähr 20 Minuten dauern sollte, je nachdem wie fesselnd sie geschrieben ist. Du kannst deine Trauerrede zum Beispiel so beginnen:
Liebe Familie, liebe Freunde,
wir haben uns heute hier zusammengefunden, um uns von ……dein Name……………zu verabschieden.
Der eigentliche Inhalt
Möglichkeiten, in welcher Form du sie verfassen kannst:
- In der Ich-Form, ähnlich wie einen Abschiedsbrief
- in der 3. Person, als würde jemand von dir erzählen
Beispiel für den klassischen Ablauf einer Grabrede:
Wir nehmen Abschied von Marion Berger.
Sie wurde 3.5.1968 als 3. Kind ihrer Eltern Gertrud und Wilhelm Berger in Hamburg –Altona geboren. Bereits in der Grundschule hob sie sich durch ihr ausgeprägtes Sozialverhalten hervor. Sie war Klassensprecherin, später Schulsprecherin und war immer zur Stelle, wenn es Konflikte unter den Mitschülern gab. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass sie nach ihrem Abitur ein Studium in Sozialpädagogik begann…. usw.
Möchtest du einen weniger chronologischen Ablauf, stelle ich dir eine selbstverfasste Trauerrede vor, die mich persönlich sehr berührt hat. Sie ist von Tim Wiegelmann, einem 15-jährigen Schüler, der seit seiner Geburt im Rollstuhl sitzt. Er hat eine große Vision.
Beispiel für eine nicht chronologische Grabrede:
Tim Wiegelmann, ein Mensch der nur einen Wunsch hatte: Diesen Planeten anders zu verlassen als er ihn vorgefunden hatte. Er sah die offensichtlichen Probleme unserer Welt und spürte das tiefe Verlangen, diesen Ort in eine liebevollere, friedlichere und freudvollere Heimat zu verwandeln. Mit seiner Liebe, seiner Weisheit seiner Lebensfreude und seinem Mut berührte er 100.000 Menschen weltweit. Er gab sich nicht mit einem Leben im Mittelmaß zufrieden und lies nicht zu, auch nur einen Tag etwas zu tun, das er nicht grenzenlos liebte. Er war kein Opfer seiner Umstände, sondern der lebende Beweis, dass nur du allein deine Erfahrung erschaffst.
Gleich was geschah, er blieb immer er selbst und lies sich nicht von seinem Weg abbringen. Er verlor nie seinen Glauben und war sich seiner Einheit mit Gott bewusst. Er erlebte Gott als einen Freund und fand wahren Frieden, pure Freude und tiefes Verständnis in ihm.
Wir sind glücklich auf ein erfülltes, freudvolles und friedliches Leben zurückblicken zu dürfen und erfreuen uns an den Geschenken, die er uns hinterlassen hat.
Damit kann deine Grabrede enden
Zum Schluss deiner Grabrede solltest du Worte finden, die den Menschen Mut machen, nach vorne zu blicken. Du kannst zum Beispiel jemandem danken oder dich von deiner großen Liebe verabschieden.
Beispiel für das Ende einer Grabrede:
Wir sind froh, ….. in unserem Leben gehabt zu haben und hatten das Glück, ein Stück ihres Lebens mit ihr gemeinsam zu gehen. Ihre Art, in jeder Situation ein Geschenk zu sehen, trägt uns in Momenten, wo wir traurig sind, dass sie nicht mehr bei uns ist. Sie wird uns sehr fehlen…
Mein Tipp:
Sei so echt und authentisch, wie möglich. Die eigene Grabrede zu schreiben ist ein lebendiger Prozess. Er entwickelt und verändert sich. Lass dir Zeit damit. Wenn du noch etwas tiefer gehen möchtest, kannst du die folgende, praktische Übung.
Schritt 3: Was tun mit der fertigen Rede?
Deine Rede ist fertig – vorerst. Egal, ob du deine Trauerrede als Reflektion über dein Leben, das Überprüfen deiner Wünsche und Ziele, eine Neuausrichtung, das Verarbeiten einer Krankheit oder als Vorbereitung auf dein Lebensende geschrieben hast – sie ist von großem Wert für dich und für jeden, der die Ehre hat, sie nach deinem Tod halten zu dürfen. Denn sie ist von dir.
Nun kommen wir zum praktischen Teil.Die Grabrede sollte wirklich gehört werden.
Diese Übung wird deiner Entdeckungsreise noch mehr Tiefe verleihen. Mit dieser Übung machst du die wertvolle Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn du gestorben bist und jemand die Rede hält, die du verfasst hast.
Lass dir diese Erfahrung nicht entgehen!
Um diese Erfahrung wirklich echt zu machen, bitte einen Menschen, dem du vertraust, sie dir vorzulesen.
Wenn du die Übung alleine machst, empfehle ich dir, sie mit einem Diktiergerät aufzunehmen und abzuspielen.
Übung:
- Lege dich auf eine gemütliche Unterlage und decke dich mit einem schwarzen Tuch oder einer Decke zu. Auch über den Kopf (wenn das für dich geht).
- Lass dir ein wenig Zeit, dich zu entspannen und einzustimmen.
- Stell dir nun vor, du wärst gestorben und bist an einem Ort deiner Wahl aufgebahrt. Alle Menschen, die dir lieb und wichtig sind, haben sich versammelt, um dich zu verabschieden.
- Einer deiner liebsten Menschen beginnt, deine Rede vorzulesen. Lasse die Worte auf dich wirken. Beobachte, was in dir vorgeht. Lass dir genug Zeit für alle Gefühle.
- Nach einer Weile frage dich: „Wofür will ich jetzt weiterleben?“ „Was ist mir das Wichtigste?“ Nimm dir auch hierfür genügend Zeit, alles zu fühlen, was auftaucht.
- Wenn du die Übung beenden willst, stehst du auf.
Mein Tipp:
Schreibe dir alles auf, was du in der Übung erfahren hast; welche Bilder in dir aufgetaucht sind und was du dabei gefühlt hast.
Erkenne dich auch dafür an, dass du den Mut hattest, dich dieser spannenden Reise zu stellen.
Schlussbetrachtung
Die Auseinandersetzung mit dem Tod macht klar, dass dieses Leben irgendwann zu Ende ist. Wann das ist, wissen wir nicht. Aber bis dahin lebst du. Jeden Tag hast du die Möglichkeit, dein Leben bedeutungsvoll, spannend und prickelnd zu gestalten.
Frage dich: Was hat diese Erfahrung an deiner Sicht auf dein Leben verändert? In welchen Bereichen möchtest du dich neu ausrichten? Was möchtest du noch erleben? Wie willst du leben, damit du am Ende nichts zu bedauern hast?
Die Trauerrede gut aufbewahren
Jetzt kannst du dir noch überlegen, wer sie halten soll: Ein Mensch, der dir nahesteht, ein Pfarrer oder Pastor oder ein professioneller Trauerredner. Notiere deinen Wunsch auf deiner Trauerrede.
Damit andere deine Rede finden, kannst du sie zur Aufbewahrung in den Ordner zu deinen wichtigen Unterlagen legen, in deine Notfallmappe, deiner Patientenverfügung oder deinem Testament beilegen.